Am 13. November 2019 haben wir in Leicas Leitz-Park in Wetzlar zum „Blick über den eigenen Tellerrand“ eingeladen. Mit spannenden Vorträgen ausgewählter Experten wurden die Themen Recruiting und HR-Marketing in Europa beleuchtet. Dabei ging es in guter alter „Fusion-Days“-Tradition natürlich vor allem um eins: Wie können wir uns davon für unsere Arbeit inspirieren lassen? Bei den fünf Sessions konnten sich die knapp 130 Teilnehmer informieren, austauschen und von den Besten ihres Fachs lernen. Los ging es aber mit einer kleinen Einführung in die Leica Welt. York von Roenne, Global HR Director bei der Leica Camera AG, führte durch eine spannende Historie zeigte was den Wetzlarer internationalen Mittelständler so interessant macht. Dann fing die erste Session an.
Das internationale Recruitingverfahren der Deutschen Telekom
Die Deutsche Telekom hat den Anspruch, führend zu sein – und zwar nicht nur bei den Kundenerfahrungen, sondern auch bei der Technologie. Doch wie ist sie zu ihrem internationalen Recruiting-Team gekommen? Diese und andere Fragen haben Bianca Lorenzen und Eleana Giampana auf unseren Fusion Days 2019 beantwortet.
Das Motto des internationalen Recruitingverfahrens der Deutschen Telekom lautet, so Bianca Lorenzen, „einfach mal machen, testen, den Teams zuhören und versuchen zu globalisieren, was zu globalisieren geht“. Deshalb hat die Telekom eine starke, kreative und kommunikative Recruiting-Community aufgebaut: Das Global Active Sourcing Team, welches durch folgende Methoden den Recruiting-Prozess verbessern soll:
- Der Zeitraum bis zur Einstellung wird von 150 Tagen auf 50 Tage verkürzt, indem die Recruiting-Daten oft und regelmäßig ausgewertet und Bearbeitungsfristen festgelegt werden.
- Das Personalbeschaffungsverfahren basiert auf einem globalen Satz von KPIs.
- Die Teammitglieder fungieren als „Enabler“ und sorgen dafür, dass die Strategiekonzepte schneller umgesetzt werden.
- Bewährte Praktiken der Personalbeschaffung werden untereinander ausgetauscht.
- Internationalisierung und Kooperation werden gefördert.
- Man orientiert sich stärker an den Gegebenheiten des Arbeitsmarkts (z. B. durch einen Vergleich von Profilen und Qualifikationen).
Einsatz des ESCO Strategic Framework
Die zweite Sitzung wurde von Koen Polley gestaltet – einem Berater der Europäischen Kommission. Er ist der Meinung, dass wir unsere Arbeitsweise angesichts der rasanten technologischen Entwicklungen und der zunehmenden globalen und demographischen Herausforderungen ständig ändern müssen. Viele Menschen in Europa finden keinen Arbeitsplatz, weil sie nicht über die nötigen Fähigkeiten verfügen oder in Berufen arbeiten, die nicht ihren Talenten entsprechen. In Zukunft wird es sicher große Kompetenzlücken geben, da
90 % der Arbeitsplätze schon bald Fähigkeiten im digitalen Bereich verlangen werden, über die 44 % der EU-Bürger derzeit aber kaum oder gar nicht verfügen. Polley gehört zu dem Team, das die ESCO-Klassifizierung steuert, den Überwachungs- und Bewertungsbereich des Projekts leitet und für die Beziehungen und die Kommunikation mit den Anwendern von ESCO zuständig ist.
ESCO (European Skills, Competences, Qualifications and Occupations) gehört zu den Initiativen, die die Europäische Kommission ins Leben gerufen hat, um den rasanten Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft Rechnung zu tragen. Die ESCO-Datenbank enthält das europäische Klassifikationssystem von Fähigkeiten, Kompetenzen, Berufen und Qualifikationen, das in 27 Sprachen übersetzt wurde (24 EU-Amtssprachen sowie Norwegisch, Isländisch und Arabisch).
KI im Recruiting
Die KI-Profis von milch & zucker, Ingolf Teetz, Olena Linnyk und Jens Kohl, gaben dem Publikum einen Überblick über die Theorie und die Anwendungsbereiche der Künstlichen Intelligenz im Recruiting-Prozess. Im Zentrum ihres Vortrags stand die Frage, ob durch ein Augmented-Intelligence-System Recruiting-Potentiale erschlossen werden können, und wie man noch von KI profitieren könnte.
Nach Ingolf Teetz’ kurzem Überblick über die Entstehungsgeschichte von KI und Maschinellem Lernen beschäftigte sich Olena Linnyk mit der Frage, wie man Stellenanzeigen so formulieren kann, dass das ganze Spektrum möglicher Arbeitskräfte angesprochen wird. Die Antwort lautet „BetterAd“. Diese neue Software kommt unter anderem bei der Karriereplattform JobStairs zum Einsatz. Sie prognostiziert auf der Grundlage einer datengestützten und wissenschaftlich fundierten Textanalyse den voraussichtlichen Erfolg einer Stellenanzeige. Ein Augmented-Writing-System unterbreitet Vorschläge für bessere, gender-neutrale Formulierungen. Einige Kunden haben sogar festgestellt, dass mit Hilfe der KI bessere Schlagworte gefunden werden können. Wenn Stellen neu ausgeschrieben werden, analysiert das KI-basierte Programm den Anzeigentext und bestimmt die Landessprache, das Einstiegsniveau, die Funktion, die Branche und weitere Merkmale.
Am Ende des Vortrags stellte Jens Kohl ein weiteres praktisches Beispiel für die KI im Recruiting-Bereich vor: Das Forschungsprojekt CATS („Chatbots in Applicant Tracking Systems“), das in Zusammenarbeit mit der Hochschule RheinMain durchgeführt wird. Im Rahmen dieses Projekts konzipiert und implementiert das Team Chatbots, die als KI-unterstützte Dialogschnittstellen zwischen Menschen und Computer fungieren. Ein ‚intelligenter’ robotischer Gesprächspartner unterstützt den Recruiter dabei, gute Stellenanzeigen zu schreiben, die genau auf die Zielgruppe zugeschnitten sind. Ein anderer Roboter beantwortet die vielen Fragen der Nutzer im Frontend (FAQ-Bot).
Instagram & Gamification
Daniel Zoll berät Medienunternehmen, Firmen und VIPs zu den Themen Social Media, Markenaufbau, Digitales Branding und Influencer Marketing. Mit anschaulichen Praxisbeispielen und dem spannenden „Fogg-Verhaltensmodell“ zeigt er seinen Zuhörer, wie sie schnell und leicht Content erstellen und ihre Zielgruppe richtig ansprechen können. Daniel ist der Überzeugung, dass man über Social-Media-Kanäle und Gamification potenziellen Bewerbern spielerisch Informationen vermitteln kann, die ihnen sonst gar nicht so cool, lustig oder interessant erscheinen würden. Seine Devise lautet: Alles kann, nichts muss – und Content muss nicht aufwändig gestaltet sein. Wichtig ist nur, dass man Engagement mit spielerischen Elementen gewinnt und dabei authentisch bleibt. Denn warum sollte man sie zum Beispiel auf Instagram duzen, wenn der Umgangston im Unternehmen doch eher förmlich ist?
Hier seine Tipps zusammengefasst:
- Überlegen Sie sich, welche Reaktion Sie hervorrufen möchten.
- Sorgen Sie dafür, dass die User wissen, was sie zu tun haben.
- Geben Sie Ihren Followern mindestens einen guten Grund, Ihnen zu folgen.
- Fordern Sie sie auf mitzumachen.
- Wenn die Leute nicht mitmachen, ist das nicht deren Schuld, sondern Ihre.
- Testen, analysieren und optimieren Sie Ihre Angebote.
Active Sourcing im Basketball
Geschäftsführer Heiko Schelberg und Trainer Ingo Freyer von den JobStairs GIESSEN 46ers hielten den letzten Vortrag des Abends, in dem es darum ging, wie das Recruiting bei einem Sportverein abläuft. Laut Heiko Schelberg ist „Basketball (…) eine vollkommen andere Branche, und wir haben ganz andere Auswahlkriterien als vielleicht andere Unternehmen. Bei uns kommt es wirklich auf Engagement, Leistung und Leidenschaft an – dass jemand brennt für den Job, und dass er sich mit dem Club identifizieren kann – sowohl bei Erfolgen als auch bei Misserfolgen.“
Bei der Auswahl der Kandidaten kommt es auf einen interessanten Lebenslauf und die fachlichen Kompetenzen an. Darüber hinaus werden weitere Kriterien angewandt:
- Ein großes Engagement ist unerlässlich, da die Spiele meist am Wochenende und außerhalb der regulären Arbeitszeit stattfinden und die Arbeitswoche oft 6 Tage hat.
- Natürlich spielt der sportliche Erfolg bei Entscheidungen über die Personalbindung und
-freisetzung eine große Rolle, denn ob man ein Spiel gewinnt oder verliert, kann man nun mal nicht vorhersehen. - Werden Mitarbeiter oder Spieler zu erfolgreich, ist es schwer, sie im Club zu halten. Oft nutzen sie die 46ers nämlich nur als „Sprungbrett“ auf dem Weg zu größeren und finanzkräftigeren Vereinen.
Auch 2020 wird milch & zucker wieder Kunden und Interessenten zu seinen Fusion Days einladen. Dann warten weitere interessante Themen im HR-Bereich auf Sie. Das Team der Fusion Days bedankt sich recht herzlich bei Ihnen und freut sich schon auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr!